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Management und Führung

Leistungsfähigkeit sichern: gesund führen

Der Mensch ist ein soziales Wesen und so verwundert es nicht, dass die Kultur des Umgangs miteinander einer der wichtigsten Gesundheitsfaktoren im Unternehmen ist. Aber nicht nur die Organisation prägt die Unternehmenskultur. Vor allem die Führungskräfte sind gefordert.

„Frau Klein, Ihre Präsentation entspricht gar nicht meinen Vorstellungen. Haben Sie sich nicht mit der Entwicklungsabteilung abgesprochen? Ich habe Ihnen in diesem Fall mehr zugetraut. Lassen Sie Ihren Kollegen ran, der kann es besser.“

Mitarbeiter/-innen heuern bei Unternehmen an, verlassen aber ihre direkten Vorgesetzten. Im Fall von Frau Klein führt das Verhalten ihres Chefs früher oder später zu Frustration und innerer Kündigung, möglicherweise zu Krankheit. Das Unternehmen verliert eine Mitarbeiterin.

Die Bedeutung von Führung wird oftmals unterschätzt. Chefs/-innen werden als Vertreter/-innen des Unternehmens wahrgenommen. Sie entscheiden durch ihr Vorbild und ihre Kommunikation, ob Top-Down-Vorgaben tatsächlich wirksam werden. „Die Summe aller Führungstätigkeiten ist das Unternehmen. Ist die Führung nicht im Boot, gibt es kein Boot, das die Organisation zum gewünschten Erfolg schiffen kann“, ist Ronny Hollenstein, Personalentwickler und geschäftsführender Gesellschafter der Gruppe Hollenstein, überzeugt.

Die wahren Ressourcen von Unternehmen finden sich in einer qualitativ hochwertigen, positiven Unternehmenskultur, die auch gelebt werden muss: Lösungsorientierung, Teamfähigkeit, Innovationsgeist, Lern- und Vertrauenskultur. Die Liste lässt sich fortsetzen. Die wichtigste Leistung, die Führung erbringen muss, ist aber Klarheit. In komplexen Systemen ist Klarheit nicht einfach zu schaffen. Fehlt sie, ist die Organisation für die Mitarbeitenden nicht berechenbar, was Angst und Orientierungslosigkeit zur Folge hat. Unternehmen mit vielen Anspruchsgruppen und einer aufgeblähten Selbstverwaltung verlieren oft den Blick dafür, wohin es eigentlich geht. Ist der Sinn in den Aufgaben nicht zu erkennen, fehlt es an der Kraft, die zu Höchstleistungen animiert.

Denn Menschen können nur nachhaltig gesund arbeiten, wenn sie einen Sinn in ihrem Tun sehen und sich mit dem System arrangieren können. Viele Unternehmen senden oft unbewusste Signale, die die Klarheit und den Sinn torpedieren: Sitzungen, die Ergebnisse produzieren, welche nicht umgesetzt werden; Leitbilder, die theoretisch wünschenswert sind, aber an der Wand hängend nur ein Ideal und keine Realität abbilden; Führungskräfte, die sich höheren Ebenen gegenüber illoyal zeigen und dann von ihren Mitarbeitenden genau auf diese Loyalität hoffen; Fachexperten und Fachexpertinnen, die zu Führungskräften wurden, ohne das dafür nötige Mind- und Methodenset mitzubringen.

Um in Führungsposition zu kommen, reicht die fachliche Qualifikation alleine nicht aus. Sie ist zwar am leichtesten überprüfbar. Doch die sozialen Anforderungen an Führungskräfte sind entscheidend: Neben Sinn und Klarheit in Struktur und Kommunikation sind Wertschätzung und Befähigung der Mitarbeitenden Schlüsselqualifikationen. Kontrolle kann als eine Art der Anerkennung gesehen werden: Die Führungskraft muss sehen, was Mitarbeiter/-innen leisten, um mit dieser Kenntnis Feedback geben zu können – und zwar sowohl positives als auch negatives. Befähigung bedeutet, dass Mitarbeitende das Vertrauen und die Unterstützung erhalten, ihre individualisierten Ziele selbst zu erreichen. Dabei wird Führung zu einer dienenden Leistung, die in Richtung Ziel begleitet und nicht mehr stört.

Der Autopilot in uns gibt Gas

Unternehmen und Führungskräfte punkten, wenn sie Mitarbeiter/-innen so führen, dass diese Herausforderungen positiv einstufen. Denn Leistungsfähigkeit, Zufriedenheit und Gesundheit von Menschen sind in großem Ausmaß vom Verhalten in Stress-Situationen bestimmt. Dabei ist es unerheblich, ob Stress-Situationen beruflich oder privat ausgelöst werden. Robert Egger, Neurophysiker und Challenge Manager, macht für die individuelle Beurteilung von Stress den „Autopiloten“ in uns verantwortlich: „Der denkt schnell, schläft nie und beurteilt eine Situation emotional, subjektiv und situativ.“

Informationen, die der Autopilot als gefährlich einstuft, schütten Stresshormone wie Adrenalin, Kortisol und Noradrenalin in den menschlichen Körper aus. Diese verändern biophysikalische, biochemische und biomechanische Funktionen des Menschen und verschlechtern auf der kognitiven Ebene Lernen, Erinnern und Denken. Auf der seelischen Ebene steigern sie Gereiztheit, Ängstlichkeit, Unsicherheit, Aggression. Das kann in weiterer Folge zu Depressionen oder Burnout führen. Auf der körperlichen Ebene fördern sie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Magen-Darm-Krankheiten, Hautkrankheiten und Schlafstörungen.

Positive Informationen hingegen schütten Freudehormone aus und steigern Motivation, Lernvermögen, Selbstorganisation und Engagement von Menschen. Sie lösen Zufriedenheit aus und bringen positive Stabilität. Das fördert wiederum die körperliche, geistige und seelische Gesundheit, die Leistungsfähigkeit sicherstellt. Wir kennen dieses Gefühl in uns und lieben es, egal, ob wir Mitarbeiter/-in oder Führungskraft sind. Begeisterung bestärkt uns in unserem Tun.

The good guy. The good girl. Wie geht das?

„In einem Klima der guten Laune macht Arbeit Spaß; Produktivität und Kreativität steigen. Eine gute Führungskraft kennt die Techniken, die ihr Team und sie selbst auch an ‚Regentagen‘ in gute Laune versetzen und Optimismus verbreiten“, meint Axel Mitterer, akademischer Mental-Coach. „Sie weiß, wann Fingerspitzengefühl oder wann Konsequenz gefordert ist, und erkennt Situationen, wo Mitarbeiter/-innen an ihre Grenzen stoßen.“ Effizienz und Effektivität von Führungsmaßnahmen lassen sich an der Mitarbeiterfluktuation, an Krankenstandzahlen, an der Unternehmensstimmung und am Grad der Mitarbeitermotivation und Arbeitsbewältigung festmachen. Hier heißt es für Führungskräfte, hellhörig zu sein.

Ein Leader erkennt rechtzeitig, was zu einem gesunden Arbeitsklima und zu selbstbewussten Mitarbeitern/-innen führt. Er fordert und fördert sein Team. „Er bringt neue Führungskräfte auf die Bühne und macht sich ersetzbar. Wenn er ausfällt, läuft der Laden auch ohne ihn weiter“, weiß Alfred Schablas, Leiter der Hippokrates Akademie.

Ist die Führungskraft nur Boss, also Bestimmer, und leidet sie unter mangelndem Selbstbewusstsein, dann hat sie Angst, dass jemand besser sein und ihr ihren Job streitig machen könnte. Bosse verbreiten eine Stimmung, die oft zur inneren Kündigung bei Mitarbeitern/-innen führt. Unsere Frau Klein – vom Beginn des Artikels - hatte wohl das „Vergnügen“ mit einem Boss.

Traumjob Führungskraft?

Kann eine Führungskraft überhaupt all diese Anforderungen erfüllen und wie bleibt sie selbst leistungsfähig? „Das funktioniert langfristig nur, wenn es gelingt, die individuellen ‚Batterien‘ kontinuierlich zu laden. Hier ist jede/-r selbst gefordert, die individuellen Kraftquellen zu entdecken und zu pflegen – sowohl im körperlichen als auch im geistig-psychischen Bereich“, betont Lukas Stärker, Direktor der Österreichischen Ärztekammer. Menschen, die sich in ihrer Freizeit regenerieren, sind in hohem Maß gegen negativen Stress immunisiert. Und eine Führungskraft, die selbst die Grundprinzipien gesunder Lebensführung einhält, beeinflusst auch die Umsetzung im Unternehmen positiv. Von der „Kraft“ der Führungskraft profitieren dann alle: Mitarbeiter/-innen, Führungskraft und Unternehmen.

Ganz klar: Nur wer sich selbst gut führen kann, kann andere gut führen. Dazu braucht es ein Grundverständnis von Selbst- und Energiemanagement und die Fähigkeit, die eigene Resilienz weiter zu entwickeln.

Vorangehen und Positives bewegen

Ein gesunder Geist und ein gesunder Körper arbeiten mit mehr Freude und damit produktiver als permanent unter Druck stehende Mitarbeitende. Nur in einem gesunden Umfeld werden Mehrleistungen gerne erbracht, ohne gleich ins große Jammern zu verfallen. Vorbild zu sein, wirkt Wunder. Erfolgreiche Unternehmen werden in Zukunft vermehrt auf die Persönlichkeit von Führungskräften achten. Nicht nur die fachliche Qualifikation, sondern auch der Menschentyp muss zur Aufgabe passen. Wenn Menschen wissen, wo ihre Stärken liegen, erhöht das ihr Selbstbewusstsein, Auftreten und ihren Einfluss. Und mit Einfluss kann man vorangehen und Positives bewegen: Das ist es, was gute Führungskräfte ausmacht.


© Franz Helmreich/Shaolin Österreich
DI Robert Egger
Neurophysiker und Challenge Manager
(c) Alek Kawka
Ronny Hollenstein
geschäftsführender Gesellschafter der Gruppe Hollenstein
(c) Victor Malysehv
Mag. Dr. Axel Mitterer
akademischer Mental-Coach
Foto Fischer/A. Schablas
Alfred Schablas
Leiter der Hippokrates Akademie
(c) Christina Häusler
Dr. Lukas Stärker
Direktor der Österreichischen Ärztekammer

Bildcredits: © Jacob Lund – stock.adobe.com 

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