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Wer seine Leser erreichen möchte, muss auch bei Texten seine Persönlichkeit ins Spiel bringen. Wie das gelingt und worauf es sonst noch ankommt, weiß Gastautor Axel Ebert.
„Schreiben ist leicht. Man muss nur die falschen Wörter weglassen“, soll Mark Twain einst gesagt haben. Aber welche Wörter sind das? In Text-Ratgebern finden Sie „Power-Wörter“, die Ihr E-Mail angeblich unwiderstehlich hypnotisch machen. Doch Vorsicht! Damit klingen Sie schnell wie ein NLP-Coach auf Speed. Wollen Sie das? Die wichtige Ausgangsfrage für guten Text ist deshalb: Wer bin ich? Denn wer für eine Privatbank arbeitet, braucht sicher eine andere Tonalität als jemand, der in einem High-Tech-Start-up tätig ist.
Zeigen Sie sich
Definieren Sie die Sprache Ihrer Marke und der Zielgruppe, in der Sie erfolgreich sein wollen. Als Green-Energy-Unternehmen liegt Ihnen wahrscheinlich die Umwelt am Herzen – dann kann am Ende des Mails ein „Umweltfreundliche Grüße“ passend sein. Der Formel-1-Zulieferer „Mahle Motorsport“ zeigt sogar in seinen Absagetexten für Bewerber, wie sehr er in seinem Thema ist. Statt der bürokratischen Floskel „in Evidenz halten“ heißt es dort: „Wir parken Ihre Bewerbung in der Boxengasse.“
Mut zum Klischeebruch
Vielleicht kommen Ihnen die Beispiele sehr ambitioniert vor. Aber die Erfahrung zeigt: Wir überlesen die gelernten Klischees und Floskeln. Wenn Sie Aufmerksamkeit erzeugen wollen, dürfen es keine Allerwelts-Textbausteine sein. Dabei gibt es nicht nur einen besseren Weg, sondern viele! Natürlich kann man es auch übertreiben: klebrige Werbefloskeln und übermäßig Provokantes passen meist nicht. Frei nach Schopenhauer: Nehmen Sie gewöhnliche Worte – und sagen Sie ungewöhnliche Dinge.
Menscheln erwünscht
Das beginnt schon beim Mail-Einstieg: Bringen Sie Ihre Persönlichkeit ins Spiel. Schreiben Sie einen Satz, in dem das Gegenüber Ihre Gedanken spürt. Wenn Sie sich für ein Gespräch bedanken, dann überlegen Sie: Wie war das Gespräch? Finden Sie zwei Adjektive, die es genau charakterisieren. War es angenehm und informativ? Oder ausgelassen und anregend? Erst mit dem zweiten Adjektiv überschreiten Sie die Wahrnehmungsschwelle und geben dem Gegenüber das gute Gefühl, mehr als nur einen Textbaustein zu erhalten.
Virtuelles Händeschütteln
Wie bei einem persönlichen Gespräch prägt ein freundlicher Einstieg das Gesprächsklima. Deshalb sollte der erste Satz nicht mit der Tür ins Haus fallen und stattdessen mindestens ein emotionales Wort enthalten, das zeigt: Sie schätzen den Kontakt. Das können kleine Wörter sein, wie „danke“, „gerne“ oder „schön, dass Sie …“. Auch beim Ausstieg ist Handreichen angesagt. Bieten Sie sich für ein Gespräch an – aber bitte nicht mit dem Klischeesatz „Für Rückfragen stehen wir zur Verfügung“. Überlegen Sie stattdessen, wie Sie das am Telefon oder im persönlichen Gespräch sagen.
Alltagssprache ist Service-Sprache
Leider werden heute in vielen Berufsschulen immer noch alte Textfloskeln gelehrt. Meiden Sie die antiquierten Floskeln wie „anbei“, „bezugnehmend“ oder „wunschgemäß“. Unsere gesprochene Sprache ist frischer und überzeugender (außer natürlich Sie haben Ihre Marke als „retro-bürokratisch“ definiert). Und wie steht es mit Emoticons? Die Forschung zeigt: sie funktionieren und können Informationen in ein freundlicheres Licht rücken. Aber auch hier zählt Ihre „Marke“: Eine Privatbank ist zurückhaltender als eine Social-Media Agentur.
Auf den Punkt kommen
Während Mail-Einleitung und -Ende ein bisschen Persönlichkeit vertragen, heißt es im Kerntext: Kommen Sie schnell auf den Punkt. Aufzählungen und Bulletpoints sind erwünscht – sofern es nicht sehr heikle Korrespondenz ist, wie zum Beispiel eine Beschwerdeantwort. Besonders im Arbeitsleben haben wir wenig Zeit und wollen deshalb schnell die Information aufsaugen. Das gilt auch für Magazin-Artikel, deshalb hier in Kurzform eine kleine Stilkunde für zeitgemäße Texte:
- Wichtiges an den Anfang des Textes
- Aktiv formulieren, kein unnötiges Passiv verwenden
- Zu-Konstruktionen ersetzen, „Bitte überweisen Sie“ statt „ist zu überweisen“
- Fettdruck sparsam einsetzen, maximal 3-5 Wörter je Seite
- Überflüssige Wortteile meiden, Zielsetzung Fragestellung Rückantwort
- Paragraphen und Bezüge am Satzende: … nach § 104 BGBL
- Aussagekräftiger Betreff, 3-7 Wörter, die den Inhalt attraktiv zusammenfassen
- Aufzählungen einheitlich in Länge und Art; optimal: jeweils mit Schlagwort beginnen
- Kurze Sätze mit 3 bis 15 Wörtern pro Satz; kurze Absätze mit 2 bis 5 Zeilen
- Verben haben Vorrang, auf Hauptwörter, die mit -ung, -heit und -keit enden, verzichten
- Konkrete statt abstrakte Formulierungen verwenden: anrufen statt kontaktieren
Vor dem Texten die Leserperspektive einnehmen
Welche Interessen, Bedenken, Erwartungen hat das Gegenüber? Was ist das Wichtigste und sollte deshalb an den Anfang? Was soll der Text bewirken, was sollen Lesende tun? Wie viel Text will das Gegenüber dazu lesen?
Schreiben mit System
Bei schwierigen Texten spart die effiziente Herangehensweise viel Zeit:
- Vorbereiten: Stichworte notieren, Ideen sammeln, Infos zusammenstellen
- Gliedern: Text-Ziel und Strategie festlegen, Argumente gliedern
- Texten: Erst-Entwurf in einem Zug schnell texten
- Überarbeiten: Text gegenlesen lassen, überarbeiten und optimieren
- Prüfen: Inhalt, Stil, Grammatik und Rechtschreibung korrigieren.
Zusammengefasst: Locker texten, hart überarbeiten!
Seien Sie nicht Goethe!
„Mein Freund, heute schreib ich dir einen langen Brief, für einen kurzen hatte ich keine Zeit“, schrieb Johann Wolfgang von Goethe. Unser Vorschlag: Nehmen Sie sich die Zeit und kürzen Sie Ihre Texte so weit wie möglich. Trotz aller Tipps und Tricks kostet es Zeit, einen guten Text zu schreiben, weil wir genau überlegen müssen, was die Leserinnen und Leser interessiert. Output statt Input ist gefragt: Reduzieren Sie auf das Wesentliche, denn nicht alles, was wir wissen, ist für andere wichtig. Konzept geht vor Text. Viel Schreibvergnügen.
Bildcredits: © jakkapan – stock.adobe.com (Titel)