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Die Vermeidung von Konflikten wirkt sich hemmend auf die Potenzialentfaltung aus, weiß Mag. Ishwara Hadinoto. In seinem Gastbeitrag zeigt der Experte auf, wie man durch Selbstreflexion eigene Potenziale freisetzen und vermeidende Verhaltensmuster erkennen kann.
Von der Kritikkompetenz als Führungskraft hängt u.a. ab, wie realistisch die Erwartungen an einen selbst sind und auch, wie man sich in seiner Rolle authentisch darstellen kann. Sie wird stark von sozialverträglichen Verhaltensweisen beeinflusst, die abhängig vom sozialen Umfeld bereits frühzeitig als Kompromiss zwischen Individuum und Gruppe entwickelt werden.
Solche Kompromisse bedingen, dass nur bestimmte Potenziale gefördert werden. So beeinflusst z.B. der Bildungsstand der Eltern nicht nur die Entscheidung darüber, ob ein Studium begonnen werden soll, sondern auch die Wahl des Studiums. Sie verursachen innere Ungleichgewichtszustände. Die Zielsetzung lautet daher, nicht nur einzelne Funktionen wie rationales Denken bevorzugt zu aktivieren, sondern alle zu nutzen, um vermeidende Verhaltensweisen zu verhindern.
Die Bereitschaft, seine Sicht- und Verhaltensweisen zu ändern, ist allerdings nicht immer gegeben. Grund dafür sind Selbstzensuren. Dabei handelt es sich um Schutzmechanismen, welche sich bei Kritik aktivieren. Sie haben insbesondere die Aufgabe, Konflikte mit den normativen Ansprüchen der sozialen Umgebung zu verhindern. Das Schutzbedürfnis resultiert daraus, dass sich der Mensch als biologisch-psychologisch-soziale Einheit betrachtet, wodurch er unentrinnbar in die Einwirkung von außen verwoben ist. Daraus resultiert dann auch die vermeintliche Erkenntnis, dass ein ausreichendes Wohlbefinden bei mangelnder Rahmung sich kaum herstellen lässt.
Die resultierende Problematik liegt auf der Hand: Die Vermeidung von Konflikten wirkt sich durch die Selbstbeschränkung hemmend auf die Potenzialentfaltung aus, was wiederum zu einem inneren Ungleichgewicht führt, wodurch Konflikte heraufbeschworen werden, die man eigentlich zu meiden versucht. So führt zum Beispiel rationale Brillanz zu falschen Entscheidungen, wenn sie nicht gepaart ist mit Empathie und Realitätsbezug.
Darüber hinaus erfordern Kompromisse ein Umfeld mit stabilen, wechselseitigen Erwartungen. Gerade in Hinblick auf die umwälzenden ökonomischen, sozialen und technischen Veränderungen, die zurzeit stattfinden, ist die Voraussetzung für eine solche Strategie nicht gegeben. Somit lassen sich Konflikte auch nicht vermeiden. Selbstreflexion ist damit an die leibliche, kognitive und emotionale Bewältigungsfähigkeit von Konflikten geknüpft. Als Führungskraft, die Veränderungsprozesse sogar aktiv voranbringen sollen, ist es daher unumgänglich, eine Haltung zu entwickeln, die sie dabei unterstützt, den Schutzmechanismus zu lösen, welcher sich bei Kritik aktiviert.
Techniken wie die „Freie Assoziation“ versuchen, die durch Selbstzensuren gebildeten Schwellen zu überwinden. Um sie wirksam zu lösen, braucht es aber mehr als rationales Denken. Der Bezug zur freien Assoziation ist etwa nur dann sinnvoll, wenn die Bedrohung nicht gleich wieder dekonstruiert wird. In diesem Kontext ist nicht zielführend, anzunehmen, der Konflikt wäre nur eingebildet und der Selbstschutz deshalb übertrieben. Das kann zwar eine entspannende Wirkung entfalten, vermeidet aber weiterhin die Auseinandersetzung mit dem Konflikt selbst. Für die Wirksamkeit einer Vermeidungsstrategie fehlt der „klinische Nachweis“.
Um die Bewältigungsfähigkeit von Konflikten erfolgreich zu trainieren, ist hingegen entscheidend, vom „Worst Case“ auszugehen: Um Konflikten ihre Bedrohlichkeit zu nehmen und damit die Bereitschaft zu erhöhen, sich auch „destruktiver“ Kritik zu stellen, wäre alternativ die Annahme förderlicher, dass die mangelnde Sachlichkeit, die einem im verbalen Konflikt begegnet, auf Unausgesprochenes, Verborgenes verweist. Und das aus gutem Grund: Es offenzulegen, würde die zugrundeliegende Widersprüchlichkeit hervortreten lassen. So können als destruktiv empfundene Komponenten von Kritik entschärft und bisher ungelöste Konflikte gedanklich simuliert und aufgelöst werden. Die Methode unterstützt dabei auch, Konfliktängste zu überwinden und aktuelle Konflikte auszuagieren. Nicht zuletzt werden unsichtbare Widerstandslinien bewusst, die durch die Selbstzensuren aufgestellt werden. Sich auf diesen Prozess einzulassen, beginnen Sie am besten mit dem Satz: „Ich bin bereit dazu!“
Sobald die Bereitschaft hergestellt wird, konfliktmeidende Verhaltensmuster zu verändern, wird man mit der eigentlichen Herausforderung konfrontiert: Ohne sozialen Kontext erkennt man nicht, wie man mit seinen Potenzialen dienlich sein kann. Gleichzeitig ist er als Orientierungshilfe nicht brauchbar, weil er Selbstwirksamkeit verhindert. Sich selbst und andere spüren, kann erlernt werden. Eine Beziehung zu sich selbst aufzubauen, gelingt mit einem Tagebuch. Ein weiteres Element ist, sich akzeptieren zu lernen – sich akzeptieren bedeutet nicht, sich nicht verändern zu können.
Über ein gestärktes Selbst kann sozialer Druck ausgeglichen und die innere Balance dabei erhalten bleiben – eine fundiertere Selbstreflexion wird dadurch möglich. Darüber hinaus bekommen sie Techniken in die Hand, wie sie ein vertieftes Bewusstsein erreichen können, da menschliches Verhalten primär nicht bewussten, emotionalen Reaktionsmustern folgt. Am Eisberg veranschaulicht, entsprechen sie 90%, die nicht sichtbar sind.
Zusammengefasst geht es darum, dass die „Kraft“ darin liegt, die destruktive Kritik, die einem entgegenschwappt, aufzunehmen, ohne daran zu zerbrechen. Jenseits eines festgefahrenen Entweder – oder bzw. Wenn – dann. Das gilt nicht nur für den einzelnen, sondern erfordert auch neue Konzepte im Personalwesen, wie Leistungspotenziale der Mitarbeiter zur Gänze entfaltet und abgerufen werden können. Ziel soll nicht nur das Erlernen irgendeiner Fertigkeit sein, sondern das Erweitern des im Menschen liegenden Potenzials als Weg betrachtet werden, der das Leben mit Bewusstsein und Erkenntnis erfüllen kann.
Bildcredits: © SFIO CRACHO – stock.adobe.com