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Warum hochsensitive Menschen ein großer Gewinn für Unternehmen sind, verrät Expertin Mag. Sabine Knoll im Interview.
Was genau ist Hochsensitivität? Ist es eine Krankheit?
Sabine Knoll: Es ist auf alle Fälle keine Krankheit oder Störung, sondern eine Veranlagung, ein Persönlichkeitsmerkmal. Aber auch traumatisierte Menschen oder jene, die in lang anhaltenden Belastungssituationen leben und sich am Rand eines Burnouts bewegen, können sich hochsensitiv fühlen. Personen, die hochsensitiv sind, haben eine detailliertere Reizwahrnehmung und -verarbeitung, sind aber auch schneller von Reizen überflutet. Sie verfügen zudem über eine große Empathie und Emotionalität.
Was sind die Anzeichen dafür, dass man hochsensitiv ist?
Elaine N. Aron, eine amerikanische Psychologin und Psychotherapeutin, die diese Veranlagung seit Anfang der 1990er-Jahre erforscht, hat 4 grundlegende Faktoren genannt: Hochsensitive Personen nehmen Reize detaillierter wahr, sie verarbeiten sie auch detaillierter und tiefgehender, sie haben ein sehr emotionales Innenleben, gepaart mit starker Empathie, und sind aus diesen Faktoren heraus schneller reizüberflutet als nicht hochsensitive Personen. Und wenn diese 4 Faktoren gemeinsam auftreten, dann spricht man von einer hochsensitiven bzw. hochsensiblen Person.
Welche Situationen können für hochsensitive Menschen besonders unangenehm sein?
Starker Lärm, unangenehme Gerüche, grelles Licht, kratzige Stoffe oder intensive Geschmacksrichtungen können da schon das Leben sehr beeinträchtigen. Aber auch „dicke Luft“ spüren hochsensitive Personen meist sehr intensiv und leiden mehr als andere unter zwischenmenschlichen Konflikten.
Mit welchen Vorurteilen und Befürchtungen sind Hochsensitive oft konfrontiert?
Hochsensitive Personen gelten ja manchmal als „Sensibelchen”. Manche Hochsensitive fühlen sich oft unverstanden oder gemobbt, z.B. wenn sie ihren Rückzug brauchen und ihre PartnerInnen oder Kollegen/Kolleginnen das nicht verstehen und als Liebesentzug oder Arroganz interpretieren.
Soll man sich als hochsensitive Person outen oder das besser sein lassen?
Da wäre ich achtsam, bei wem ich mich oute. Ich finde schon, dass nahestehende Menschen, z.B. die Familie oder sehr gute Freunde und Freundinnen, darüber Bescheid wissen sollten, da hier auch das entsprechende Vertrauensverhältnis vorhanden ist. Das macht dann so manches Verhalten einfach nachvollziehbarer und schafft die Möglichkeit, im Alltag aufeinander Rücksicht zu nehmen und einander zu verstehen.
Und wie sieht es im Beruf aus?
Da kommt es sehr darauf an, in welcher Sparte ich arbeite und ob ich Vorgesetzte habe, die vielleicht selbst hochsensitive Personen sind. Ich weiß von TeilnehmerInnen aus unserem WIFI-Lehrgang „Experte/Expertin für HSP“, dass es für einige positiv war, sich auch im Beruf zu outen, und dass dies beruflich neue, ihnen besser entsprechende Aufgaben mit sich gebracht hat. Ich würde aber nicht generell dafür plädieren, da es auch nach hinten losgehen kann, z.B. in Sparten oder Firmen, wo mehr die Zahlen als die Menschen zählen.
Was müssen Unternehmen über das Thema Hochsensitivität wissen?
Hochsensitive Personen sind ein großer Gewinn für Unternehmen, weil sie meist sehr eigenverantwortlich, gründlich, verantwortungsbewusst und verlässlich sind. Wenn sie mit Menschen arbeiten, sind sie sehr schnell in der Einfühlung, können gut auf andere eingehen und sie entsprechend abholen und begleiten. Wichtig ist es, hochsensitiven MitarbeiterInnen ein eigenes Zimmer zu geben, in dem sie ungestört ihrer Arbeit nachgehen können, denn in Großraumbüros fühlen sich Hochsensitive schnell reizüberflutet.
Für welche Berufe sind Hochsensitive geeignet?
Hochsensitive haben den Blick fürs Detail und können durch ihr vernetztes, ganzheitliches Denken einen neuen Blickwinkel einbringen. Sie sind kreativ, intuitiv und gewissenhaft, lieben die freie Zeiteinteilung und sind sehr einfühlsam, unterstützen gerne Menschen. Kreative Berufe und Berufe, in denen sie ihre sozialen Fähigkeiten voll und ganz einsetzen können und dafür auch Wertschätzung bekommen, sind für sie bestens geeignet, denn sie brauchen eine sinnerfüllte Tätigkeit, um sich am richtigen Platz zu fühlen.
Bildcredits: © tunedin – stock.adobe.com