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Management und Führung

Personalentwicklung nach Corona

Wie hilfreich sind die Prämissen der Personalentwicklung in modern leistungsorientierten Unternehmen für – mögliche künftige – integral evolutionäre Organisationen nach Frederic Laloux?

An anderer Stelle wurden drei Erfolgsfaktoren für Personalentwicklung in modern leistungsorientierten* Unternehmen skizziert. Diese repräsentieren das vorherrschende Management-Denken unsere Zeit und zeichnen sich durch das Streben nach Innovation, Verlässlichkeit und (Höchst-)Leistung aus. Die Welt ist für sie kompliziertes Uhrwerk, das es bestmöglich zu verstehen gilt, um größtmöglichen Profit daraus zu lukrieren.

COVID-19 verändert gerade unsere Welt, unsere Werte. Vielleicht bekommen die bisherigen Denkmodelle der Unternehmen in der Zeitrechnung nach Corona einen neuen Drall. Vielleicht wollen immer weniger ArbeitnehmerInnen die Kosten des „Alten“ auf ihren Schultern tragen. Vielleicht überspringt manch Unternehmerin, mancher Geschäftsführer eines modern leistungsorientierten Unternehmens eine ganze Entwicklungsstufe und folgt der tiefen Sehnsucht nach ganzheitlichen, bei uns noch unbekannten Praktiken: jenen des integral evolutionären* Organisationsmodells. Darin wird die Welt als Ort für persönliche und gemeinsame Entfaltung betrachtet. Seine drei Prinzipien sind Selbstführung, Ganzheit und dem Folgen des evolutionären Sinns.

Wie hilfreich sind also die drei bisherigen Erfolgsfaktoren für die evolutionär denkenden Organisationen in einer möglichen Zukunft?

1. Personalentwicklung ist Chefsache: nicht hilfreich

In integral evolutionären Gefilden übernimmt ganz automatisch jeder Mensch die Verantwortung für die eigene Entwicklung. Aus Unternehmenssicht gibt es nichts und niemanden zu entwickeln – schon gar nicht defizitorientiert – denn Entwicklung passiert ohnehin. In einem Feld von großer Freiheit, Verantwortung und Selbstermächtigung folgen die Menschen ihrer natürlich vorhandenen Neugierde, Wiss- und Lernbegierde. Sie dürfen über ihr Weiterbildungsbudget nach gutem Gewissen selbst verfügen. Nachwuchsführungskräfte-Entwicklung? Fehlanzeige. Es gibt keine definierten Führungsjobs, zu denen man sich hin entwickeln könnte in einem definierten Karrieresystem, wie es modern leistungsorientierte Systeme kennen.

2. PE hat eine strategische Ausrichtung, Zielsetzung und Kontrolle: wenig hilfreich

Alle Aktivitäten aller MitarbeiterInnen richten sich nach der gleichen Kompass-Nadel: dem Unternehmenssinn, der Unternehmensmission. Evolutionäre Organisationen setzen keine von oben vorgegebenen Ziele. Im Rahmen ihrer Selbstführung können die MitarbeiterInnen bzw. Teams Ziele für sich, einzelne Prozesse oder Maschinen setzen, wenn sie möchten. Sie sind frei, Erfolgsindikatoren zu definieren und zu analysieren. Sie können Vereinbarungen mit Schnittstellen zur Zusammenarbeit (grundsätzlich bzw. z.B. für das kommende Jahr) treffen. Budgets werden für wichtige Entscheidungen festgelegt, aber nicht zur Steuerung und Kontrolle. Die innere Haltung und die Umsetzung dieser Werkzeuge im Alltag, wenn sie situativ eingesetzt werden, machen den Unterschied zu modern leistungsorientiertem Bewusstsein.

Die Annahmen zu Leistung, Leistungsfähigkeit und -willigkeit des Unternehmens und seiner MitarbeiterInnen lauten in integral evolutionären Organisationen: “Alle arbeiten hart und geben ihr Bestes“, was eine Beurteilung obsolet macht. Würde ein Missverhältnis wahrgenommen werden, würden die Kollegen und Kolleginnen dies ohnehin in respektvoller Konfrontation – und in sicherem Rahmen, der seitens der Firma durch Werte und Verhaltensprinzipien geschaffen wurde – ausdrücken. Dem Wunsch der MitarbeiterInnen und Teams nach einer Einschätzung von außen wird durch eine beherzte ad hoc-Feedback-Kultur und regelmäßige Team-Reflexionen Rechnung getragen.

3. Die Organisation lernt zu lernen: grundsätzlich hilfreich

Lernen bedeutet Verändern. In einer modern leistungsorientierten Weltsicht wird mittels Druck von außen eine Bewegung vom aktuellen Punkt A zum gewünschten Punkt B erzeugt, und das wird Veränderung genannt.

In einem integral evolutionären Bewusstsein spüren die Menschen Veränderungen in ihrer Umgebung und passen sich daran an. Dies wird gefördert durch Kulturelemente wie beispielsweise

  • einem etablierten Beratungs- und Konfliktlösungsprozess,
  • Denken in Rollen und nicht in hierarchischen Stellen,
  • hohe individuelle Verantwortung und viel Freiraum,
  • hoher Transparenz,
  • hoher Kommunikationsgrad,
  • sowie dem vielleicht dafür wichtigsten Element, dem „Spüren und Antworten“.

Somit wird Anpassung fließend vollzogen und in der Regel als weniger schmerzhaft empfunden, als dies bei statischen Veränderungen von A nach B der Fall ist.

Integral evolutionäre Organisationen betrachten sich und ihre Mitglieder als endlos lernend. Feedback, Reflexion, Mut, Stärkenfokussierung und Möglichkeitssuche sind u.a. die Basis für individuelle und Organisations-Entwicklung. Der Antrieb lautet: “Wie können wir der Organisation helfen, sich selbst vollkommen als lebendiges System zum Ausdruck zu bringen?“

Darin liegt auch der Unterschied zu modern leistungsorientierten Unternehmen, die sich deshalb verändern und deshalb lernen wollen, weil sie denken, dass sie es müssen, um das komplizierte Uhrwerk Welt noch besser zu verstehen, um größtmöglichen Profit daraus zu lukrieren.

Was bedeutet dies also für die Personalentwicklung einer möglichen Zukunft?

Personalentwicklung wird dabei weniger eine normierende, als vielmehr eine moderierende Aufgabe übernehmen. Natürlich wird es nötig sein, wie oben beschrieben, die vorhandenen Personalentwicklungs-Prozesse auf ihren Beitrag zum Erlauben von z.B. dem Prinzip der Ganzheit zu prüfen und eventuell neu zu gestalten.

Gestalten, sodass…

…sich die Menschen sicher fühlen können, sich ganz wahrhaftig zu zeigen und alle Masken abzulegen,

…Unterschiede anerkannt werden und gleichzeitig der Wert jedes einzelnen Menschen und seiner Meinung gleich ist,

…das Gefühl von Trennung überwunden werden kann,

…jedes Problem eine Einladung für Wachstum und Lernen ist und Fehler besprochen statt versteckt werden,

…die Menschen sich gegenseitig unterstützen in ihrem Wachstum und sich dabei auf das Positive und auf Lösungen konzentrieren,

…jeder/r Verantwortung übernimmt für die eigenen Gedanken und Handlungen,

© Fotolounge_Blende8
Gastautorin Mag. (FH) Iris Schatzl ist systemische Unternehmensberaterin für Personalwesen mit Erfahrung aus über zwei Jahrzehnten in namhaften Unternehmen unterschiedlicher Größe.

*Quelle: Frederic Laloux: Reinventing Organizations, 2015, Verlag Franz Vahlen GmbH

Bildcredits: © tomertu – stock.adobe.com

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