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Corona als New-Work-Beschleuniger? Hybride Formen der Zusammenarbeit sind Teil des Führungsalltages – und wollen gemanagt werden.
„Ich wollte NEW WORK in meinem Team testen und einen Probelauf machen“, sagte mir zuletzt eine Führungskraft. Fakt: Aus dem „Dry run“ ab Mitte März 2020 wurde nichts, stattdessen hat „Go live“ für NEW WORK ohne Vorbereitung stattgefunden. Und jetzt, 18 Monate später, was wurde aus den ambitionierten, geplanten NEW-WORK-Absichten? Hop oder drop? Hier eine kleine Bestandsaufnahme.
Lernkurve Corona
Für viele Führungskräfte war vor März 2020 die Präsenzarbeit das Nonplusultra. Für manche war 1 Tag Home-Office in der Woche gerade noch die Ultima Ratio: Arbeit im Home-Office wurde also gewährt, wenn sonstige Vergünstigungen für die Mitarbeitenden schon ausgeschöpft waren. In allen Branchen, wo Mitarbeitende in der Wissensarbeit tätig sind, hat die Verlagerung der beruflichen Tätigkeit in die privaten 4 Wände funktioniert. Nicht friktionsfrei, wie wir wissen: Home-Schooling und möglicherweise beengte räumliche Verhältnisse haben zu Überforderung geführt, bei alleine lebenden Personen waren Aspekte von gefühlter Vereinsamung ein Thema. Allerdings: Die Erledigung von Arbeit im Home-Office an sich, das fokussierte und konzentrierte Arbeiten und die virtuelle inhaltliche Abstimmung mit Führungskraft und KollegInnen funktionierte. In wenigen Monaten haben wir entscheidende Erfahrungen gesammelt, nämlich zukunftsentscheidende Erfahrungen: Arbeit kann in Präsenzform im Büro erledigt werden, aber sie muss es nicht ausschließlich! Die bekannte Erfahrung der präsenten Zusammenarbeit im Büro kombiniert mit den Erkenntnissen der Arbeit im Home-Office führt uns zwangsläufig zur hybriden Zusammenarbeit.
Hybride Zusammenarbeit erfordert neue Führungskompetenzen
Neue, um vermehrte Home-Office-Möglichkeiten adaptierte Betriebsvereinbarungen wachsen derzeit wie Schwammerl aus dem Boden. Organisationen sehen die Notwendigkeit, einen Rahmen für verbreiterte Möglichkeiten zur Erledigung von Arbeit zu definieren. Für die konkrete Umsetzung im Team sorgt die Führungskraft. Aber: Welche Rolle nimmt die Führungskraft dabei ein? Definiert die Führungskraft, wer und wann aus dem Team wie oft im Büro sein sollte? Wer entscheidet, was die Minimalanforderung an Präsenz im Büro oder das Maximalausmaß für virtuelles Arbeiten ist? Diese Ungewissheit in der Durchführung macht zwar die Koordination nicht leichter, aber möglicherweise die Arbeit effektiver!
Tipp 1: Erheben Sie Bedürfnisse statt Wünsche
Wiederholt höre ich nun Führungskräfte immer öfter im Team fragen: Wer möchte denn wann ins Büro kommen? Aus meiner Warte die falsche Frage. Ich empfehle einen Perspektivenwechsel. Mein Frage-Vorschlag an die Teammitglieder lautet: Welche räumliche Umgebung benötigst du, damit du deine Ziele bestmöglich erfüllen kannst? Die Mitarbeitenden werden mit dieser Frage aufgefordert, Klarheit darüber zu erlangen, für welche Tätigkeiten welche Umgebungen mehr oder weniger hilfreich sind. Ganz nebenbei stärkt diese Frage auch die Verantwortungsübernahme für das eigene Tun und die eigenen Ergebnisse. Mithilfe des Tools „Hybrid-Konfigurator“ werden auf diesem Weg die Bedürfnisse anstelle von Wünschen erhoben.
Tipp 2: Definieren Sie gemeinsam mit Ihrem Team das „physische Minimum“
Sobald die Bedürfnisse auf dem Tisch liegen, ist es wichtig, gemeinsame Vereinbarungen über den Durchführungsort der Arbeit zu treffen. Neben den persönlichen Bedürfnissen (siehe Tipp 1) sollten auch die nachvollziehbaren organisationalen Bedürfnisse nach Anwesenheit im Büro genannt werden. („Ich habe meine Leute gerne lieber im Büro“ ist übrigens kein nachvollziehbares organisationales Bedürfnis.) Dann geht’s um die Lösung, die das Ergebnis eines gemeinsamen Aushandlungsprozesses ist. Ich empfehle, dass jemand aus dem Team diesen Lösungsfindungsprozess moderiert, das müssen aber nicht zwangsläufig Sie als Führungskraft sein. Umso mehr die Teammitglieder in diesem Lösungsfindungsprozess involviert sind, umso größer ist die Verantwortungsübernahme jedes Einzelnen für das gemeinsame Ergebnis: Das Team hält den Raum für die Vereinbarung – und nicht Sie als Führungskraft. Übrigens: Die Definition des physischen Minimums im Team ist kein 3-Jahresplan, eine permanente Aktualisierung und Anpassung ist Teil der gemeinsamen Entwicklung als Team.
Tipp 3: Überprüfen Sie bisherige Vereinbarungen zur Zusammenarbeit
Hybride Zusammenarbeit bedeutet, dass es weniger gemeinsame Präsenzzeit gibt und dass es mehr virtuelle Zeit gibt. Diese neue Situation erfordert auch neue Vereinbarungen. Es ist unerlässlich, bisherige Vereinbarungen zu hinterfragen. Mit dem Tool „Hybrid-Checker“ werden gemeinsam mit dem Team 3 Dimensionen beleuchtet:
- Welche bisherigen Vereinbarungen werden suspendiert (weil sie nicht mehr passend und hilfreich sind)? Z.B. Informelles wird beim gemeinsamen Mittagessen ausgetauscht; Geburtstage werden gefeiert, wenn wir uns im Büro treffen; Feedback geben wir uns nur persönlich
- Welche bisherigen Vereinbarungen werden bestätigt und weitergeführt? Z.B. am gemeinsamen Teamtag pro Quartal halten wir fest; den Austausch über unsere Projekte behalten wir bei (auch wenn wir nicht im Büro sind)
- Welche Vereinbarungen werden neu erstellt? Z.B. Was sind unsere gemeinsamen Kommunikationszeiten? Welche Kommunikationstools verwenden wir?
NEW WORK Gamechanger „Vertrauen“
Im Zusammenhang mit dem Thema Home-Office ist es populär geworden, von Führungskräften zu erwarten, „da musst du mir halt einfach vertrauen“. Professioneller ausgedrückt wird es als erforderlicher Vertrauensvorschuss bezeichnet. Tatsächlich: Ich bin kein großer Fan davon. Warum? Vertrauen funktioniert nämlich anders: Zuerst kommen Vereinbarungen, die wir miteinander schließen. Erreichbarkeiten, Abgabefristen, Qualität der Arbeit, Response times usw. Erst wenn diese Vereinbarungen eingehalten werden, vertrauen wir einander, nicht vorher. Vertrauen auf physische Präsenz im Büro aufzubauen („Wer im Büro ist, arbeitet auch brav“) ist zwar verführerisch, aber ein echter Trugschluss. Vertrauenskultur bedeutet in diesem Zusammenhang daher Vereinbarungskultur: Es tun sich jene Führungskräfte mit der Office-Abstinenz in der hybriden Zusammenarbeit leichter, die gute qualitative und quantitative Zielvereinbarungen (z.B mit Hilfe von Objectives und Key Results) mit ihrem Team treffen. Diese (Ziel-) Vereinbarungen geben Sicherheit und Klarheit auf beiden Seiten, weil Erwartungshaltungen ausgesprochen und gegenseitige Berechenbarkeit im positiven Sinne adressiert wird. Damit erst wird die Wahl des Arbeitsplatzes zur „moralinfreien“ Möglichkeit.
Richtung NEW WORK
Fast alle der grundlegenden NEW-WORK-Prinzipien wie z.B. Purpose, Zusammenarbeit, Transparenz, Partizipation und Selbstorganisation haben in der Corona-Zeit einen teilweisen Turbo erfahren. Sind wir schon am NEW-WORK-Ziel? Nein, aber die Richtung stimmt! Und Sie? Nützen Sie die derzeit gegebenen Chancen, um als Führungskraft Ihr Team in Richtung NEW WORK zu führen?
Gastautor Christian Hauser, MSc, ist Organisationsberater, HR- und NEW-WORK-Experte bei BRAINS AND GAMES
Bildcredit: © alphaspirit/Stock.adobe.com