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Management und Führung

Projektmanagement im digitalen Zeitalter / Teil 2

Digitalisiertes Projektmanagement folgt teilweise neuen Spielregeln. In Teil 2 unserer Serie erklären Christian G. Majer und Gerald Aschbacher, wie sich Projekte und Prozesse im virtuellen Raum sinnvoll ergänzen.

Virtuelles Projektmanagement: Projekte oder Prozesse? Nicht oder, sondern beides!

Projekte sind kein Freibrief, jegliche organisatorische Regelung zu ignorieren. Andererseits werden Projekte genau dann gestartet, wenn Standard-Geschäftsprozesse und Routinen nicht greifen oder fehlen. Ein Widerspruch? Auf das richtige Zusammenspiel von Freiheit und Struktur kommt es an. Projekte und Prozesse ergänzen einander und sind im virtuellen Raum noch näher zueinander gerückt. Vier unterschiedliche Konstellationen des Zusammenspiels wollen wir hier betrachten:

1. Projekte unterscheiden sich hinsichtlich Komplexität und Neuartigkeit

Projekt ist nicht gleich Projekt. Es gibt solche, die tatsächlich einzigartig sind, mit absolut neuen Aufgabenstellungen (z.B. die erste Mondlandung). Hier kann man nicht auf Vorausgegangenes zurückgreifen. Man hat nur vage ähnliche Erfahrungen, aber noch keine Routineabläufe. Versteht man die Projektkomplexität als Kontinuum, findet man am anderen Ende Projekte mit repetitivem Charakter (Produktentwicklung, Kundenprojekte). Hier kann auf verschiedenste Erfahrungen, Lessons Learned und Best Practice Bezug genommen werden. Oft sind gewisse Praktiken nicht bloß optional verfügbar, sondern in Form von SOPs [1], Prüfschritten oder Test-Routinen vorgeschrieben. Die Freiheitsgrade des Projekts werden also nicht nur durch Wissen aus Erfahrungen, sondern auch durch andere innerorganisatorische Regelungen, wie QM, Compliance, IKS [2] oder strategische Vorgaben eingeschränkt.

2. Projekte zur spezifischen Abwicklung von Prozessen (Arbeiten im Prozess)

Wenn für einen spezifischen Anwendungsfall eines Prozesses die definierten Standards bzw. Vorgaben nicht ausreichen oder aufgrund Neuartigkeit und Einzigartigkeit nicht anwendbar sind, kann etwa die Auftragsabwicklung in Form eines Projektes erfolgen. Dabei werden Wissen und Erfahrungswerte aus dem Routine-Prozess in einem Projekt nutzbar gemacht und hinsichtlich vom Standard abweichenden Anforderungen und zusätzlicher Besonderheiten adaptiert. Projekte müssen sich nicht unbedingt auf alle Phasen eines Geschäfts-Prozesses beziehen (z.B. Produktentwicklungsprozess), sondern können sich auf einen bestimmten Teil (z.B. Produktrealisierung oder Re-Launch) beschränken.

3. Prozess-Optimierungsprojekte (Arbeiten am Prozess)

Besteht die Notwendigkeit einer umfassenden Prozessoptimierung oder eines radikalen Redesigns, so bietet sich Projektmanagement als strukturierte und flexible Herangehensweise an. Durch die Etablierung eines Projekts wird der Optimierung mehr Aufmerksamkeit und Fokus verliehen. Auch das Verankern eines neuen oder geänderten Prozesses kann besonders heikel sein und eine Umsetzung in Projektform erfordern – vor allem bei Change-Projekten. Gründe dafür können vor allem kritische Stakeholder sein – und die Furcht vor deren Ablehnung und Widerstand.

4. Einfluss von Projekten auf die Prozesslandschaft

Der Nutzen von Projekten ist, einen künftigen erwünschten Zustand zu erreichen, z.B. „Neues Produkt ist am Markt eingeführt“. Daher kann die Etablierung von neuen Prozessen bzw. die Adaptierung von bestehenden Prozessen erforderlich sein und sollte schon in der Konzeptionsphase des Projekts berücksichtigt werden. Manche Ergebnisse bzw. Outputs eines Projekts können somit die Prozesslandkarte nachhaltig verändern und wirken dort als Outcome/Nutzen nach.

Resümee

Statt Empowerment und Freiraum zur Bewältigung von außergewöhnlichen Herausforderungen sehen sich Projektteams häufig mit strikten Kontrollstrukturen konfrontiert. Andererseits werden Best Practices aus Prozessen in Projekten noch zu selten genützt. Die Unterscheidung von Projekten und Prozessen wie auch ihr Zusammenspiel sicherzustellen ist keinesfalls trivial. Wie so oft macht es die Kombination aus. Am Beginn eines Projekts bzw. optimalerweise schon während der Beauftragungsphase sollte abgeklärt werden, wie neuartig ein Projekt tatsächlich ist. Das lässt sich gut im Rahmen der Projektwürdigkeitsanalyse feststellen. Hier kann auch definiert werden, welche Vorgaben und SOPs gelten und ob agile Vorgehensweisen in der einen oder andern Phase sinnvoll eingesetzt werden können. Anders formuliert: Was ist fix und was ist gestaltbar? Projekt und Prozess muss somit nicht schwarz/weiß gesehen werden, sondern als farbenfrohes Kontinuum.

 

[1] Standard Operating Procedure – eine detaillierte Handlungsanweisung

[2] Internes Kontroll-System


Gastautor Dr. Christian G. Majer ist Leiter des majer-rejam The Performance Institute und Organisationsberater sowie Coach für integrierte Management-Systeme.

Gastautor DI (FH) Gerald Aschbacher, MSc ist Abteilungsleiter Process & Organisatorisches Change Management sowie systemischer Berater, Trainer und Coach.

Teil 3 unserer 4-teiligen Reihe „Projektmanagement im digitalen Zeitalter“ zeigt auf, warum eine digitale Dezentralisierung und agile Selbstorganisation integrierende Strukturen brauchen.

Teil 1 unserer Reihe erklärt, warum die Bedeutung von Meetings, Leadership und Digitalkompetenz im digitalisierten Projektmanagement gestiegen ist.

Bildcredits: © Rymden/Stock.adobe.com

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