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Management und Führung

Illusion und Entscheidungsverhalten

Auf der einen Seite sind Illusionen notwendige Triebfedern für das Management, auf der anderen Seite gehen Risiken damit einher. Welche Bedeutung Illusionen für das Entscheidungsverhalten haben, erklärt Gastautor Mag. iur. Christoph W. Dietrich.

Wie würde unser Leben ohne Illusionen verlaufen? Langweilig, eintönig und grau. Unsere Illusionen beflügeln uns, geben uns Ziele und verleihen uns die Stärke, sie zu erreichen. Illusionen sind notwendige Triebfedern für Top-EntscheiderInnen, sie sind regelrechte „Strategie-Booster“. ManagerInnen, die mit der Unternehmensführung oder -überwachung betraut sind, sind jedoch nicht nur für die Strategie, sondern auch für die Einhaltung von Sorgfaltspflichten verantwortlich. Welchen Illusionen sollten sie sich also besser nicht hingeben, wenn sie ihre Nerven schonen und Haftungsrisiken vermeiden wollen?

Menschen täuschen sich regelmäßig über den Umfang ihres Wissens und Könnens. Eine dieser Selbsttäuschungen betrifft die Fähigkeit, wirksam Kontrolle auszuüben. Besonders jene VerantwortungsträgerInnen, die sich durch außerordentliche Umsetzungsstärke, Zielorientierung oder Fachkompetenz auszeichnen, gaukeln sich gerne Kontrollfähigkeit vor.

Dieses Phänomen tritt umso stärker auf, je mehr Einfluss und Kontrolle verloren gehen. Besonders in Unternehmenskrisen suchen ManagerInnen begierig nach einer Bestätigung, dass sie noch selbstbestimmt handeln, obwohl sie die Situation nicht mehr beherrschen. Dadurch erzeugen sie eine trügerische Stabilität, die zwar ihrem Wunschdenken, aber nicht der Realität entspricht. Sie täuschen sich nämlich Sicherheit vor und werden weniger wachsam. Außerdem wirkt diese Kontrollillusion wie ein Amphetamin, das große Kräfte verleiht und zur Selbstüberschätzung führt. Soweit die negativen Effekte dieses Phänomens.

Das Gute daran ist: Würden ManagerInnen sich eingestehen, dass alles aus dem Ruder läuft und herzlich wenig dagegen getan werden kann, würden sie wohl die Hände in den Schoß legen. Diese fatalistische Haltung wäre wenig hilfreich. Die Kontrollillusion stärkt die Motivation zum Weitermachen und Durchhalten. Sie sichert somit auch den Führungsanspruch ab, denn wer nicht jederzeit alles im Griff hat, gilt als ohnmächtig und verwirkt seine Position.

Der Anschein, alles unter Kontrolle zu haben, muss daher um jeden Preis gewahrt werden. Dies verleitet ManagerInnen jedoch dazu, ihre Stakeholder in Sicherheit zu wiegen, Fehler zu vertuschen und notwendige Korrekturen zu unterlassen. Compliance-, Revisions- und Risikomanagementsysteme arbeiten dann eher formalistisch als zweckorientiert. Die Finanzkrise und die Wirtschaftsskandale der letzten Jahre haben dafür Beispiele zuhauf geliefert.

Die Qualität der Unternehmensführung und -überwachung könnte vom Eingeständnis profitieren, dass Versagen natürlich ist, Fehler unvermeidbar sind und Kontrolle nie hundertprozentige Compliance garantieren kann. Diese Einsicht wäre nicht nur mental entlastend für Führungskräfte. Vielmehr würde dadurch ein Beitrag zu einer unverkrampfteren Fehler- und Kontrollkultur geleistet werden, in der es selbstverständlich wäre, nicht alles wissen, können und beherrschen zu müssen. Fehler würden in einem solchen Arbeitsumfeld freimütig transparent gemacht, anstatt unter den Tisch gekehrt. Die Aufrechterhaltung der Kontrollillusion wäre nicht mehr notwendig, Schadensfälle könnten dadurch reduziert werden.

Provokante These? Einer Abschaffung jeglicher Kontrolle will ich damit keinesfalls das Wort reden. Vielmehr möchte ich ein Phänomen ins Bewusstsein rücken, das potenziell gefährlich ist. In meinem Workshop „Im Spannungsfeld zwischen Recht und Führung“ erfahren Sie mehr über Entscheidungsverhalten und Haftungsrisken.


Gastautor Mag. iur. Christoph W. Dietrich ist Experte für Corporate Governance und Werteorientierung.

Bildcredit: © Andrey Popov/Stock.adobe.com

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