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Führungskräfte sollten die Rahmenbedingungen schaffen, damit sich MitarbeiterInnen durch sinnerfüllte Aufgaben selbst motivieren können. Wie das gelingt, erklärt Gastautor Dr. Harald Pichler.
Zu hohe Anforderungen und zu wenig Budget. Zu hohe Erwartungen und zu wenig Spielraum. Zu hohe Ziele und zu wenig Motivation im Team. Kennen Sie diese Zwickmühlen? Dann lesen Sie weiter. Ich habe für Sie meine wichtigsten Empfehlungen zusammengestellt, wie Sie mit sinnorientierter Führung erfolgreicher werden können.
Eines vorweg: Verabschieden Sie sich von der Idee, „Sinn stiften” oder gar anordnen zu können. Das funktioniert nicht. Ihre Aufgabe als Führungskraft ist es, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich Ihre Mitarbeitenden durch sinnerfüllte Aufgaben selbst motivieren können. Dort liegt daher auch die Letztverantwortung für den Sinn in der Arbeit. Das nimmt doch gleich einiges an Druck weg, oder?
Warum „Purpose“ auch „Meaning“ braucht
Viele Unternehmen beschäftigen sich heute mit „Purpose” – also mit den Fragen „Wozu gibt es uns eigentlich?” oder „Was wollen wir in der Welt bewegen?” Eine Garantie, dass dadurch die Mitarbeitenden ihre jeweilige Arbeit als sinnvoll erleben, gibt es nicht. Der Sinn (Meaning) beschreibt die individuelle Bedeutsamkeit und Wirksamkeit – also „Welchen Sinn, welche Auswirkung hat meine Arbeit?”
Warum sollten Sie sich als Führungskraft damit beschäftigen? Weil Mitarbeitende, die ihre Arbeit als sinnerfüllt erleben, motivierter und gesünder sind. Tatjana Schnell von der Universität Innsbruck zeigt empirisch auf, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen sinnvoller Arbeit und Motivation, Gesundheit, Engagement, sowie Produktivität und Loyalität zum Unternehmen gibt. Wer mehr dazu wissen will, dem empfehle ich den „AOK Fehlzeitenreport 2018”. Weitere fundierte Forschungsergebnisse verdanken wir Markus Ebner, der an den Universitäten Wien und Klagenfurt lehrt. In seinem Buch „Positive Leadership” zeigt er, wie sich sinnorientierte Führung auf das Engagement der Menschen und messbar positiv auf das Unternehmensergebnis auswirkt.
Sinnerfüllte Aufgaben und Wertschätzung – so führen Sie SINN-voll
Der Wiener Arzt Viktor E. Frankl hat nicht nur unermüdlich auf das individuelle Sinnbedürfnis der Menschen hingewiesen, sondern hat auch gleich konkrete Wege aufgezeigt, die zur Sinnverwirklichung führen.
Da wären zum Beispiel sinnerfüllte Aufgaben, deren Bedeutsamkeit und Wirksamkeit klar erkennbar sind. Wenn ich weiß, wozu bzw. für wen ich meinen Job mache, dann sind Belastungen weniger belastend und Selbstmotivation wird zum Selbstläufer. Auch wertschätzende Beziehungen zu Mitarbeitenden und Kollegen begünstigen das Sinnerleben. Vor allem dann, wenn die Unterschiede der Mitmenschen als willkommene Bereicherung gesehen werden.
Noch einfacher, und trotzdem oft übersehen, ist die dankbare Wertschätzung der positiven Aspekte im Job. Meist ärgern wir uns über den täglichen Frust und nehmen Annehmlichkeiten als selbstverständlich hin. Dabei könnten wir uns viel öfter (gemeinsam) über Gelungenes freuen. Oder auch über Nicht-Schiefgegangenes. Und letztendlich ist eine sinnvolle innere Einstellung zu unabänderlichen Bedingungen und Ereignissen der erste Schritt von der scheinbaren Machtlosigkeit zurück in die Selbstwirksamkeit.
Für die Praxis: die wichtigsten Fragen einer Führungskraft
Wer fragt, gewinnt. Die beste Methode, um sinn-orientierte Führung in Ihren Alltag zu integrieren, ist regelmäßig Fragen zu stellen – nicht nur Ihren Mitarbeitenden, auch sich selbst. Hier kommen die wichtigsten Fragen für sinnorientierte Führungskräfte:
» „Was bewirkst du durch deine Arbeit?”
Besonders wenn eine Tätigkeit als langweilig oder anstrengend erlebt wird, neigen manche Mitarbeitenden dazu, den Sinn zu hinterfragen. Sprechen Sie mit der betroffenen Person über die Wirkung ihrer Aufgaben. Was macht er oder sie mit ihrer Arbeit möglich? Wenn die Tätigkeit weder Bedeutung noch Auswirkungen hätte, wäre doch auch das Gehalt sinnlos, oder?
» „Was würde dir fehlen, wenn du es nicht bereits hättest?”
Wir Menschen neigen dazu, eher auf das Negative zu fokussieren als auf das Angenehme. Anders hätten wir die Gefahren der Evolution nicht überlebt. Heute können wir – mangels Säbelzahntiger – auch das Positive wertschätzen. Das geht am leichtesten über die Frage nach Dingen, die wir sehr vermissen würden und doch als selbstverständlich ansehen.
» „Warum waren wir erfolgreich?”
Sinnerfüllung entsteht auch durch Selbstwirksamkeit und diese wiederum durch den Fokus auf Erreichtes. Nicht nur Fehlschläge verdienen eine Ursachenforschung, sondern auch Erfolge. Im ersten Fall verhindert sie die Wiederholung der Fehler, im zweiten ermöglicht sie die Wiederholung der Erfolge. Nehmen Sie sich Zeit, um mit Ihrem Team Erfolge zu analysieren – und am besten auch gleich zu feiern.
» „Was hilft dir zu regenerieren?”
Kein Spitzensportler kann permanent Leistung abrufen, ohne sich zwischendurch zu erholen. Darum trainieren sie nicht nur Kraft, Ausdauer und Koordination, sondern auch ganz gezielt Entspannung und Regeneration. Sich für eine sinnvolle Sache auszubrennen, ist sinnlos. Das gilt für Mitarbeitende genauso wie für Sie als Führungskraft. Sie haben Vorbildwirkung.
» „Welche individuellen Kompetenzen bereichern unsere Gemeinschaft?”
Zugehörigkeit und Beziehungen fördern nicht nur das Sinnerleben am Arbeitsplatz, sondern mildern nachweislich auch Stressempfinden und erhöhen die Belastbarkeit. Als Führungskraft heißt das: Gelegenheiten und Raum für gemeinschaftlichen Austausch zu schaffen. Gerade auch im Homeoffice, zum Beispiel durch gemeinsame, virtuelle Kaffeepausen.
» „Was gibt´s da zu lachen?”
Bereits Viktor Frankl hatte betont, dass Humor ein hochwirksamer Angstlöser und Stressdämpfer ist. Vor allem der humorvolle Blick in die Zukunft („Worüber werden wir rückblickend lachen, wenn das alles vorbei ist?”) hilft, den Blick weg vom Problem und hin zu den Erfolgen in der Zukunft zu lenken.
Sehr sinnvoll: „Nein“ sagen
Noch ein wichtiger Punkt: Sinnorientiert führen heißt nicht, es jedem recht zu machen. Es kann durchaus sinnvoll sein, „nein” zu sagen oder gar jemanden zu enttäuschen – das gibt Ihnen als Führungskraft die notwendige Souveränität, um im Spannungsfeld der gegensätzlichen Erwartungen zu bestehen. Sinnvoll führen heißt auch: Nicht ununterbrochen 100% Leistung liefern zu wollen. Sich Spielraum für strategische Aufgaben zu schaffen – und deshalb die Bürotür auch einmal zu schließen. Nein, Sie müssen nicht jederzeit für Ihre Mitarbeitenden erreichbar sein.
Wozu statt warum?
Die wohl wichtigste Frage ist eine, von der Sie sich gleich verabschieden sollten. Die „Warum?”- oder „Warum ich?”-Frage. Ersetzen Sie sie durch die viel sinnvollere Frage „Wozu fordert uns das jetzt heraus?“. Zugegeben, gemeinsames Raunzen über Dinge, die nicht zu ändern sind, ist auch eine Art Team Building. Aber spätestens nach zehn Minuten Jammern lassen sollten Sie mit der „Wozu”-Frage die Aufmerksamkeit wieder auf die Problemlösungskompetenz des Teams lenken. Und auf die gemeinsamen Ziele. Ja, das ist nicht immer leicht, aber das ist Führung grundsätzlich nicht. Auch große Anstrengung oder schmerzlicher Verzicht können sinnvoll sein. Oder wie es Frankl so schön auf den Punkt gebracht hat: „Ich muss mir von mir selbst nicht alles gefallen lassen.”
Gastautor DI Dr.tech. Harald Pichler war nach seinem Biochemie-Studium an der TU Wien 15 Jahre Führungskraft in Forschung und Industrie. Seit mehr als 20 Jahren wendet er die Lehre Viktor E. Frankls im Berufs- und Führungskontext an. Er ist Unternehmensberater, Vortragender, Trainer und Coach, sowie Leiter des Schwerpunkts „Wirtschaft.Arbeit.Sinn“ am Viktor Frankl Zentrum Wien.
Hinweis: Dieser Artikel wurde in BILDUNGaktuell erstveröffentlicht.
Bildcredit: © REDPIXEL/Stock.adobe.com