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Große Datenmengen in möglichst kurzer Zeit auszuwerten und zu berechnen, wird für Unternehmen immer wichtiger. Wie High Performance Computing (HPC) dafür genutzt werden kann und worauf es ankommt, erklärt Simeon Harrison im Interview. Er ist am EuroCC Austria, dem nationalen Kompetenzzentrum für Supercomputing, Big Data und Künstliche Intelligenz tätig.
Herr Harrison, Sie beschäftigen sich seit Anfang 2021 mit High Performance Computing. Was genau ist das?
Simeon Harrison: Es bedeutet „numerisch intensives Rechnen“ beziehungsweise „Hochleistungsrechnen“. Man spricht dann von High Performance Computing, wenn ein Computerprogramm parallel auf vielen Kernen läuft. Kann der Programm-Code optimal parallelisiert werden, lassen sich durch entsprechende Skalierung die Laufzeiten für Berechnungen oder Datenanalysen erheblich verkürzen.
Das klingt jetzt sehr technisch. Was genau ist mit Kernen gemeint?
Das Herzstück eines jeden Rechners ist der Prozessor – auf Englisch „central processing unit“, kurz CPU. Ein HPC-System entsteht durch das Zusammenschalten von vielen solchen Recheneinheiten zu einem Cluster, auch Supercomputer genannt. Und während ein moderner PC aus einer CPU mit vier oder gar acht Kernen besteht, findet man in einem Cluster mitunter viele tausend solcher Recheneinheiten.
Wer genau benötigt HPC? Ist es auch für KMU und EPU geeignet?
Jedes Unternehmen, das mit der Rechenleistung seiner lokalen Workstations an Grenzen stößt, sollte High Performance Computing in Betracht ziehen. Die Größe eines Unternehmens spielt dabei keine Rolle. Im Gegenteil: industrielle Großkonzerne haben vielfach bereits die eigenen HPC-Ressourcen. KMU und EPU benötigen hingegen Cloud-Lösungen oder den Zugang zu HPC-Zentren.
Was sind die Vor- und Nachteile der Verwendung von HPC gegenüber Cloud-Lösungen?
Die Preisgestaltung ist bei Cloud-Lösungen oft undurchsichtig. Unternehmen finden sich dann meist in der Preisfalle, wenn sie bereits viel Zeit in die Migration auf Cloud-Lösungen investiert haben und skalieren wollen. Außerdem verbleiben die Daten bei Benutzung der Cloud nicht zwingend im gesetzlich geschützten europäischen Datenraum. Ein Nachteil von HPC hingegen ist, dass es sich dabei um ein sogenanntes „batch-processing System“ handelt. Das bedeutet, dass man womöglich nicht ad-hoc Rechenkapazitäten bekommt. Die Ressourcenvergabe hängt von der Laufzeit des Programms, des Umfangs der angeforderten Ressourcen und der eigenen Priorität ab, wobei Unternehmen die höchste Priorität zuteil wird.
Was sind die typischen Anwendungen, für die HPC genutzt wird?
Kurz gesagt sind es Simulationen jeglicher Art, wobei sich die typischen Anwendungen im akademischen Bereich von jenen der Wirtschaft bzw. Industrie stark unterscheiden können. Mit der in den letzten Jahren um sich greifenden Digitalisierung in Richtung Industrie 4.0, ist auch der „digitale Zwilling“ immer mehr in den Fokus geraten. Der Vorteil eines digitalen Zwillings besteht darin, dass Innovationen bei Produkten, Anlagen und Prozessen nicht erst in der physischen, sondern bereits in der virtuellen Welt getestet werden können. Die Erstellung solcher digitalen Zwillinge bringt HPC bei immer mehr Unternehmen auf den Plan.
Auch im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) wird mit HPC gearbeitet …
Genau, der anhaltende Boom im Bereich der KI-Anwendungen benötigt ebenfalls immer mehr Rechenleistung. Vor allem das initiale Trainieren von KI-Modellen ist sehr rechenintensiv. Da HPC-Anlagen oftmals über Hochleistungs-GPUs verfügen – diese „graphics processing units“ werden zur Beschleunigung bestimmter Aufgaben verbaut – sind diese eine natürliche Anlaufstelle für Unternehmen, die solche Modelle entwickeln wollen.
Welche Fähigkeiten muss man haben, um HPC nutzen zu können?
Man muss sich die Methoden des parallelen Programmierens aneignen. Außerdem sollte man die Architektur des Computersystems kennen und mit der Linux Command Line zurechtkommen.
Digitalisierung ist auch immer eine Managementaufgabe. Was müssen Führungskräfte zum Thema HPC wissen?
Wenn sich ein Unternehmen jetzt oder in absehbarer Zukunft mit Themen wie KI, Digitaler Zwilling oder sonstigen rechenintensiven Aufgaben konfrontiert sieht, sollte sich vor allem die technische Leitung ernsthaft mit HPC auseinandersetzen. Denn wird HPC in die Produktentwicklung einbezogen, führt das nicht nur zu verkürzten Rechenzeiten, die wiederum eine schnellere Markteinführung erlauben, sondern stellt mit dem gewonnenen Know-how auch eine Investition in die Zukunft dar.
Sie bieten mit der EuroCC Austria auch einen besonderen Service für Unternehmen an …
Ja, wir beraten diese kostenfrei und bieten Zugang zu den leistungsstärksten Supercomputern Österreichs – und wenn nötig auch zu den schnellsten Computern Europas. Denn die Digitalisierung bringt eine Datenflut mit sich. Diese ist zugleich Herausforderung und Chance. Ein Unternehmen, das Erfahrung im parallelen Programmieren hat, genießt da ganz klar einen Wettbewerbsvorteil.
Simeon Harrison ist am EuroCC Austria tätig und leitet den Einführungskurs High Performance Computing am WIFI Wien.
Bildcredits: © Gorodenkoff/Stock.adobe.com